Die somatische und traumasensible (Bewegungs)Therapie

Die somatische Therapie ist wohl eine, der für mich im wahrsten Sinne des Wortes, „bewegendsten“ Therapieformen.

Denn die Somatik bezieht den ganzen Körper mit ein und dazu zählen unser Geist/ Psyche sowie auch unsere Emotionen, Bewegungs- und Handlungsmuster.

Abzugrenzen ist die Somatik von dem Begriff der Psychosomatik, welcher in der herkömmlichen Medizin oft verwendet wird, wenn sich körperliche Beschwerden oder Symptome nicht erklären lassen können und als psychisch bewertet werden.

Im Gegensatz zu herkömmlichen psychotherapeutischen Verfahren, welche sich vor allem auf den Verstand konzentrieren, werden in der Somatik körperorientierte Methoden wie Bewegung (wie z.B. aus dem Tanz, Qi Gong, Yoga Feldenkrais etc.), Atemarbeit oder Meditation hinzugezogen.

Die Somatik beruht auf der Überzeugung, dass unser Körper zentraler Schauplatz unseres Erlebens und unserer Erfahrung ist. Krankheit zum Beispiel drückt sich immer auf allen Ebenen unseres Seins aus.

Traumatischen Erfahrung beispielsweise können eine Vielzahl unerklärlicher psychischer und körperlicher Symptome haben. Sie können sich auf emotionaler Ebene wie Ängste, Depression oder Unruhe zeigen, auf geistiger Ebene als Verwirrung, Konzentrationsstörungen oder Dissoziation und auf körperlicher Ebene als Schlafstörungen, Erschöpfung, chronische Schmerzen, chronischen Erkrankungen wie: Migräne, Nacken- und Rückenprobleme etc.

All diese Dinge haben eins gemeinsam, sie manifestieren und artikulieren sich über den Körper. Unser Körper ist Dreh- und Angelpunkt. Traumatische Erfahrungen können all unsere Lebensbereiche prägen von unseren Beziehungen, Gewohnheiten bis hin zu unserem Charakter.

Heute wissen wir seit der wertvollen Arbeit von Dr. Pat Ogden, Dr. Peter Levine und Dr. Bessel van der Kolk, das Trauma zu allererst im Körper stattfindet.

Trauma verändert unser Gehirn und auch unsere gesamte Physiologie, denn Trauma bleibt als Überlebensmodus im Körper stecken. Auch, wenn das traumatische Ereignis jahrelang zurückliegt, kann unser Körper immer noch im Ausnahmezustand und Überlebensmodus sich befinden. Die Bedrohung besteht für unseren Körper weiterhin, wir erleben unseren Körper und unsere Umgebung als unsicher oder gefährlich. Und so lassen sich auch Symptome besser verstehen, denn sie sind der Versuch unseres Nervensystems, mit dieser überschüssigen Energie/ oder Aktivierung im Körper umzugehen.

Wichtig ist zu verstehen, dass körperliche und seelische Reaktionen auf ein traumatisches Ereignis eine ganz normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis darstellen.

Daher betrachten wir Symptome in der Somatik als etwas wertvolles, denn sie können nicht nur wichtige Signalgeber sondern auch unglaubliche Ressourcen bei der Traumabewältigung sein.

„Der Schlüssel zur Traumabewältigung ist nicht, das Trauma wieder zu erleben,
sondern neue Erfahrungen im Körper zu schaffen.“ Dr. Peter A. Levine

Dies ist ein wunderbares Zitat von Dr. Peter Levine, denn es drückt den Kern der somatischen Arbeit aus, sei es in Bezug auf Trauma, chronischen Krankheiten oder Schmerzen.

Das Ziel der somatischen Therapie ist es wieder neue positive Erfahrungen im Körper zu erleben.

Denn jede dieser neuen positiven Erfahrungen, bringt nicht nur ein Gefühl von Sicherheit sondern auch Integration alter Erfahrungen und Heilung mit sich. Das Ziel ist es wieder eine gesunde Selbstregulation anzuregen, so dass unser Organismus wieder den natürliche Rhythmus von Ladung und Entladung, Anspannung und Entspannung finden kann.

Inhalt einer somatischen Therapie

In der somatischen Therapie liegt der Fokus auf ein achtsames und gegenwärtiges Gewahrsein.  

Wir beobachten innere Reaktionen zu verschiedenen Stimuli oder Reizen und deren prozesshafte Abfolge in Körperempfindungen, Emotionen, Gedanken und Bewegungen. Diese Beobachtung hilft es unbewußte Glaubensmuster und Lebensmuster freizulegen. Diese unbewussten Muster oder auch unser implizites Gedächtnis genannt, bestimmt unsere Wahrnehmung und formt unser gegenwärtiges Erleben. 

Unser implizites Gedächtnis ist der Teil unseres Gedächtnisses, der sich auf unser Erleben und unser Verhalten (z.b. wie wir uns auf unser Umfeld beziehen und Beziehungen leben) auswirkt, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Traumatische Erfahrungen beispielsweise werden implizit abgespeichert.

Unsere frühkindlichen Erfahrungen beispielsweise formen unser implizites Gedächtnis und formen letztendlich unseren Charakter und und unsere Persönlichkeit. Unser implizites Gedächtnis hilft uns, uns in der Welt zurecht zu finden, unserem Erleben Sinn zu geben und unser Verhalten sowie unsere Handlungen dementsprechend auszurichten. In der Fachsprache der Körpertherapie nennen wir dies den Selbstformungsprozess des Individuums.

Unsere im Körper implizit abgespeicherten „Erinnerungen“ drücken sich in Vorhersagen, Annahmen, Verhalten oder Glaubensmuster über uns und andere aus.

Der Körper merkt sich Dinge, was der Geist nicht kann. Und, um es mit Ron Kurtz Worten zu sagen: „Der Körper ist der Königsweg zum Unbewussten.“

Wissenschaftliche Studien zeigen zum Beispiel, dass 70-80% der Kommunikation vorwiegend auf unbewusster somatischer Ebene geschieht. Diese Signale, die wir aussenden oder empfangen, entstammen direkt aus unseren geformten Glaubensmustern und unbewusst abgespeicherten (impliziten) Erfahrungen. 

Daher versteht es sich von selbst, dass die Einbeziehung des Körpers in der Therapie unabdingbar ist. All diese Dinge existieren fernab unseres Bewusstseins und können somit nicht durch eine „herkömmliche“ Gesprächstherapie adressiert werden. Sie bedürfen spezieller Techniken.

Der Körper ist unser„Geschichtenerzähler“ und ein Ort an dem wir Emotionen und Gefühle unmittelbar erfahren und erleben. 

Der somatische Therapeut beobachtet, folgt und benennt non-verbale somatische Signale (wie Körperhaltung, Stimme, Hautfarbe, Gestik oder Mimik), um diese gemeinsam mit dem Klienten in achtsamer Beobachtung ins Bewusstsein zu holen. Durch die Bewusstmachung dieser kann der Klient diesen emphatisch begegnen, sie erneut aus einer „erwachsenen Perspektive“ evaluieren und durch darauf abgestimmte Übungen neue korrektive positive Erfahrungen machen.

Die Somatik bedient sich hierbei experimenteller Achtsamkeitsübungen. Körper- und Atemgewahrsein sowie geführte somatische Achtsamkeit sind zentrale Momente der somatischen und traumasensiblen Arbeit. Hier bezieht sich der Klient wie auch die Behandlerin auf ihre somatische Wahrnehmung, z.B. der eigenen Körperempfindungen oder wie er/ sie sich in diesem Moment fühlt. Der Moment der Körperpräsenz und Körperwahrnehmung schafft neue Kapazitäten im Umgang mit herausfordernden Gefühlen oder Empfindungen durch ein kohärentes Erleben und Präsentsein.

In diesem gemeinsamen achtsamen Gewahrsein und Erforschen, ist die gewaltfreie, unvoreingenommene und emphatische Grundhaltung des Therapeuten Voraussetzung. Wir bewerten nicht oder zwingen dem Klienten Lösungen auf sondern unterstützen den Klienten Zugang zur eigenen Körperintelligenz zu finden, so dass er eigene kohärente Entscheidungen passend zu seinem Erleben finden kann.

Nur so kann der Klient (wieder) die Momente von Handhabbarkeit und Selbstermächtigung erleben. So können Erfahrungen, auch traumatische, erfolgreich und nachhaltig integriert werden und neue Verhaltens- und Denkmuster entstehen. Denn diese Dinge existieren nicht nur als abstrakte Idee im Klienten sondern können von ihm ganzheitlich verkörpert werden. Das sind Grundbausteine echter Transformation, im wahrsten Sinne bewegend.